Held oder Terrorist?
Michael Kohlhaas, erfolgreicher Unternehmer, gebildet, gerecht, hoch anerkannt, glücklich verheiratet, liebevoller Vater dreier Kinder, kurz: ein deutscher Bilderbuchbürger.
Nachdem ein Landadeliger zwei seiner Pferde schlecht behandelt hat und ihm Kompensation dafür verweigert wird, beginnt Kohlhaas einen schonungslosen Feldzug im Namen der Gerechtigkeit, dem sich immer mehr Menschen anschließen – und dem zahlreiche Unschuldige zum Opfer fallen.
Kohlhaas ist der prototypische Wutbürger, der in einer fast bewunderungswürdigen aber hochgefährlichen Konsequenz die Definition von Richtig und Falsch in die eigenen Hände nimmt und damit seinen eigenen Moralkodex erschafft.
Kleists Novelle beschreibt detailliert einen Radikalisierungsprozess, ohne sich klar auf eine Seite zu schlagen und setzt damit einen aktiven Denkprozess über die Rechtfertigung von Gewalt für die “gute Sache” in Gang.
“Kohlhaas – Moral High Ground” folgt diesem Ansatz und versucht – neben dem Nacherzählen der Geschichte – Kohlhaas ohnmächtige Wut fühlbar zu machen, seinen Schmerz, seine Brutalität, seinen Abfall vom Glauben an das System.
Jonas Werling erzählt Kleists 1808 verfasste Novelle nach und zieht Parallelen zum Jetzt: dem Misstrauen in den Staat, in die demokratische Grundordnung, dem Gefühl, in Wirklichkeit verarscht zu werden von „denen da oben“, dem diffusen Zweifel am Wahrheitsgehalt des Status quo.
Radikalisierung ist kein Schalter, der umgelegt wird, sondern ein gradueller Prozess. Kleists Rezeptur, die einen redlichen Bürger in einen Extremisten verwandelt, ist zeitlos gültig.